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Ich schreibe meine Erinnerungen hier nieder, wie sie mir spontan durch die Feder fließen.

Ich habe Vieles gelernt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn Eltern ihre Kinder in die Schule schicken, weil es dort ein warmes Mittagessen gibt, dann entscheidet diese Schüssel Reis, die unser Verein bezahlt, über die Schulbildung und damit Zukunftsaussichten dieses Kindes. Das ist Verantwortung, die wir übernehmen. Gerne übernehmen.

Auch die schlichte Unterstützung der Schulen, die in den Augen von manchen Kritikern als nicht nachhaltig bezeichnet wird, führt zu Veränderungen in der Infrastruktur der umliegenden Dörfer. Nur Bildung kann in einem Land nachhaltig etwas ändern, auch wenn wir dafür die Schüssel Reis bezahlen.

 

Freitag, 08.03.2024

Um 8.00 Uhr waren wir bei Karl-Heinz Schweizer in Haigerloch verabredet. Reichlich Zeit, um unser Gepäck auf 2 großen Koffer zu verteilen, denn wir sollten so wenig möglich mitnehmen. Ich teilte mir mit Karl-Heinz und 12 kompletten Fußballtrikots einen Koffer. Lisa Hahn und Susanne Graner hatten zu ihrem persönlichen Gepäck noch zusätzlich sämtliche Umschläge, Dokumente, Büro- und Arbeitsmaterial für die Patenschaften dabei.

Um 20.00 Uhr landeten wir in Banjul und stießen erst mal auf die berühmte „Wand aus warmer Luft“ . Und auf eine kurze Gewalteskalation - vielleicht hatte der Herr keine 2000 Dalasi für die Einreise dabei? Dazu möchte ich bemerken, dass wir die ganze folgende Woche weder Schlägereien noch andere Aggressivität wahrnahmen. Friedlich ist es - dieses Land. Oder wirkt es nur so?

Wir freuten uns über Moro, der pünktlich und zuverlässig wie immer dastand. Ein echter Möglichmacher…oder weißt du, wo man in deiner Stadt bis morgen einen gebrauchten Rollstuhl bekommt?

Im Hotel angekommen, freuten wir uns alle auf eine Dusche und ein bisschen ausstrecken.

 

Samstag, 09.03.2024

2024 Fruhling 1Heute war der legendäre „Geld-zähl-Tag“, von dem ich schon bei der Mitgliederversammlung so viel gehört hatte. Vor allem hörte ich, dass Geld doch stinkt. Kaiser Vespasian (sein Zitat nachdem er eine Latrinensteuer eingeführt hatte) würde sich im Grab umdrehen. Aufgrund meiner Erfahrung mit den z.T. recht lumpigen Scheinen muss ich ihm leider auch vehement widersprechen.

Unser Geldwechsler kam mit einem Sack Geld an, wie andere Leute ein Netz Orangen tragen…

Wir erhielten Bündel zu 2x20.000 Dalasi, die wir in einigen Stunden auf die einzelnen Paten-schaftsumschläge verteilten. Diese waren schon zu Hause mit Name, Kennziffer und Schule vorbereitet worden.

Es folgte noch eine Teambesprechung mit Moro. Was können wir leisten, was können wir n i c h t leisten und was entscheiden wir vor Ort.

 

Sonntag, 10.03.2024

Heute ging es auf einer wirklich gut ausgebauten Straße nach Farafenni. Das war wohl bis vor ein paar Jahren die reinste Buckelpiste. So erlebte ich mal die Landschaft außerhalb der Touristen Regionen. Wow!

Trockene, struppige Buschlandschaften, erhabene Bäume, gut gepflegte Anlagen aus gambischen und ausländischen Sozialprojekten und verwahrloste Dörfer. Rinder, Ziegen Frauen und Kinder auf der Straße und das bei 40 Grad im Schatten.

2024 Fruhling 2Im legendären EDDY`s in Farafenni empfing uns nicht etwa eine2024 Fruhling 2a nette Rezeptionistin, sondern ein angeleinter Ziegenbock, Chef einer Herde im anderen Teil des Anwesens. Schlüssel ausgehändigt und ausgepackt. Angeblich hatte das Hotel auch schon schlechtere Tage gesehen.

Qh weh!! Echt jetzt? Na wenigsten gab es Strom und Wasser. Und die Einkaufsmöglichkeiten lagen direkt vor der Hotelmauer. Farafennis Straßenmarkt. Was für Farben, Gerüche, Geräusche und Gewusel!

Ich war völlig überwältigt.

Natürlich waren wir die einzigen Weißen. Und völlig aufgeschmissen ohne Moro. Er lotste uns durch Gassen, die ich nicht gefunden und – wenn doch - wahrscheinlich nicht betreten hätte mangels Überblick.

Hier wollten wir die Wunschlisten der Schulen abarbeiten:

Kreide, Stifte, Lehrbücher, Plakate, Kleber und Klebeband, Fußbälle, Fußballtrikots und Besen. Nach 3 Stunden hatten wir alles erstanden. Der Zustand des Schreibwarenladens hat mich schon mal veranlasst zu fragen, ob der Besitzer wirklich Geschäfte machen will. Laden putzen, dekorieren, Waren sortieren und ähnliches scheint hier unbekannt zu sein.

Am späten Nachmittag kamen einzelne Patenkinder aus Farafenni, die sich im Laufe der Vereinsjahre außerhalb der Schulen ergeben hatten. Für mich war es jedenfalls der erste Einsatz als Fotografin. Es gelang mittels Charmeoffensive, ein zögerliches Lächeln in die Gesichter der Kinder zu zaubern.

Ich habe die Kinder gefragt, was sie mit ihrem Patenschaftsgeld kaufen wollten: Schulsachen für anstehende Prüfungen, Lehrbücher, neue Rucksäcke und Schuhe, Reis, Öl und Medizin für die Familie.

 

Montag, 11.03.2024

2024 Fruhling 3Und wieder stiegen wir morgens ins Auto. Dieses Mal um nach Kinteh Kunda zu fahren. Mein erster Schuleinsatz: Alles war wieder bestens vorbereitet worden und die Aufgaben klar verteilt.

Der Empfang war - wie erwartet - sehr herzlich. Schon vor dem Schultor wurde gesungen und geklatscht. Es erwartete uns ein vorbereiteter Tisch, einige einstudierte Lieder, und ich musste vor lauter Rührung weinen.

Was für ein großartiges Erlebnis! Unsere Geldausgabe dauerte einige Stunden. Anschließend gab es eine Besprechung im Büro des Rektors . Bei einer Führung über das Schulgelände konnten wir uns von allen Baustellen selbst überzeugen. Wir haben fleißig mitgeschrieben und fotografiert, denn schließlich mussten wir dann ja im Team entscheiden, was repariert oder angeschafft wird.

Grundsätzlich wirkte die gesamte Schule gepflegt und gut bewirtschaftet, aber es gibt immer etwas zu verbessern und zu reparieren. Jetzt präsentierten wir noch die bestellten Produkte, die wir auf dem Markt eingekauft hatten. Flugs noch Fotos machen von Rektor, Dorfältesten und Lehrer:innen und wieder zurück ins Hotel. Wir waren hungrig und müde. Moro führte uns in ein Restaurant. Hühnchen mit Pommes gibt es immer irgendwie.. Tja, Vegetarier und Flexitarier haben es hier schwer.

Zurück zum Hotel mit Ziegenbock.

 

Dienstag, 12.03.2024

Da es kein Frühstück im Hotel gab, mussten wir „Frühstücken gehen“. Auch hier erschien es uns so, als hätte man noch nie etwas von „Kundenbindung“ gehört, schließlich waren wir am Abend im gleichen Lokal gewesen und hatten uns für den nächsten Morgen um 8.00 Uhr angekündigt. Wer nicht da war, waren die Angestellten. “Coming soon“, das begleitete uns als Running Gag.

Anschließend machten wir uns auf die Reise nach Fonkoi Kunda - ins Buschland sozusagen. Und wieder wären wir ohne Moro völlig orientierungslos gewesen. Nachdem wir die gut ausgebaute Schnellstraße verlassen hatten, mussten wir uns auf Buckelpisten weiterbewegen. Angeblich waren die früher noch schlechter gewesen. Konnte ich mir unmöglich vorstellen. Ich hatte das Gefühl, mich in einer Mondlandschaft zu bewegen – mit der Angst vor einem Achsenbruch im Nacken.

Wie aus dem Nichts tauchten plötzlich die Schulgebäude auf: Woher kamen die Kinder? Ich hatte keine Dörfer gesehen? Die Kinder nehmen wohl lange Schulwege in Kauf, um etwas zu lernen.

Auch in dieser Schule war der Empfang überwältigend. Das sind Erlebnisse, die ich noch lange in meiner emotionalen Schatzkammer bewahren möchte. Mit viel Musik wurden uns Hemden in African Style überreicht, die wir natürlich sofort anzogen. Sie sorgten leider auch für noch mehr Schweiß. Aber wir hielten tapfer unter dem zeltartigen Stoff durch.

Für mich hieß es wieder, den Kindern ein Lächeln zu entlocken und eine schöne Portrait-aufnahme zu generieren mit Namen und Nummer, nachdem das Team den Umschlag vorbereitet hat. Das Foto erhalten unsere Pateneltern jährlich, plus aktuellen Informationen über die Schule. Außerdem hilft es uns im kommenden Jahr, das richtige Kind zu identifizieren, da es oft mehrere mit gleichem Namen gibt. Anschließend ging es wieder zum Büro des Rektors, bei dem auch einige Dorfältesten und Lehrer zugegen waren. Wieder stand der Rundgang übers Gelände an.

2024 Fruhling 4Vor allem wollten wir den Zustand einer Mauer begutachten. Ein Baum hatte diese samt einer Stromleitung einstürzen lassen. Wir hatten bereits das Zersägen des Baumes bezahlt. Ergebnis: Baum weg - Mauer muss repariert werden. Ein Zaun wurde auch noch gewünscht, damit die Ziegen nicht an den Schulgarten gehen.2024 Fruhling 5

Tisch- und Stuhlkombinationen - genannt „Join Desks“ - müssen auch erneuert werden. Termiten lassen sich das Holz schmecken und die feuchte Luft zerstört das Metall. Das muss immer wieder in Auftrag gegeben werden.

Also eine „never ending story“. Über die weiteren Reparaturarbeiten wollten wir uns in Ruhe abstimmen. Unsere „Geschenke“ aus der Wunschliste wurden auch hier mit viel Freude entgegengenommen.

In allen beiden Schulen war auch der „Generalunternehmer“ Bubacarr Jobe anwesend, der fleißig mit seinem Metermaß unterwegs war. Er rückt schon seit Jahren mit seiner Mannschaft an, wenn es etwas zu reparieren gibt.

 

Mittwoch, 13.03.2024

2024 Fruhling 6Heute ging es wieder zurück ins Mansea Hotel. Ich fühlte mich wieder in die Zivilisation zurückversetzt. Gefühlt hatten wir die anstrengendste, aber auch wichtigste operative Arbeit hinter uns. Aber natürlich gab es wieder etwas Neues zu tun. Die Spendengelder eines Rot-Kreuzlers aus der Heimat wollten wir passend umsetzen und kauften in einer Apotheke Erste-Hilfe Boxen für beide Schulen. Falls ihr euch fragt, warum wir das erst jetzt machten und das nicht in einem Rutsch mit den anderen Geschäften erledigt haben, ganz einfach: das Material war dort nicht aufzutreiben bzw. der Besitzer war nicht am Geschäfte machen interessiert.

Am Nachmittag gingen schon die Kostenvoranschläge für unsere Reparaturen ein. Wir versuchten die Kalkulation nach: zu teuer, vorerst unnötig, machbar und unbedingt nötig zu ordnen. Natürlich wurde immer diskutiert, jede Stimme wurde gehört. Der Konsens war immer einstimmig. Ich glaube, wir haben vernünftig entschieden.

Ein bisschen Sonnen- und Schattenbaden am Pool war auch noch drin.

 

Donnerstag, 14.03.2024

Wir machten uns im Auto auf dem Weg nach Serrekunda. Auf diese Stadt war ich sehr gespannt. Wir fanden uns an einem extrem weitläufigen Markt wieder, schließlich wollten wir einen gebrauchten Rollstuhl mit dem Spendengeld einer Privatperson kaufen. Sie wollte eine Umsetzung „wo die Not am größten ist“.2024 Fruhling 7

Wie Moro es geschafft hatte, war uns ein Rätsel, aber plötzlich stand der Rolli an der Straße. Wir wurden uns schnell einig mit dem Ladeninhaber. Ich erlaubte mir eine Testfahrt auf der staubigen Straße. Moro wird ihn bald an den stark beeinträchtigten Schüler in Kinteh Kunda ausliefern. Ich bin sicher, sein Leben wird für ihn und seine Familie damit wieder ein bisschen leichter werden. Inklusion wird in den Schulen ohne Bürokratie ganz selbstverständlich umgesetzt und Helfer /Begleitpersonen findet man überall. Aber der alte Rollstuhl war nicht mehr zu gebrauchen.

Am Nachmittag standen die Verhandlungen mit dem Generalunternehmer an. Auch da waren wir uns schnell einig. Leider war er auf einen Preisnachlass nicht ansprechbar.

Bei der Gelegenheit wurden auch die Essenslieferungen beauftragt. Vorher hatten wir auf dem Markt die Preise eruiert. Bis Jahresende ist damit in beiden Schulen das Mittagessen gesichert. Wie wichtig das ist, hatte ich schon eingangs erwähnt.

Noch am gleichen Abend sind zwei von uns unterstützte Kinder mit ihrer Tante erschienen, um sich das Patengeld abzuholen. Auch diese Kinder begleitet der Verein schon lange. Das Mädchen wird allerdings bald aus der Förderung herausfallen. Die Familie plant, sie auf eine weitergehende Schule zu schicken. Doch nach der neunten Klasse endet unsere Unterstützung, weil es nicht möglich ist, jede weiterführende Schule auf die die Kinder wechseln zu besuchen um das Geld auszuzahlen.

 

Freitag, 15.03.2024

2024 Fruhling 8Der letzte Tag in Gambia war angebrochen, die Arbeit war aber noch nicht abgeschlossen. Schon am Morgen besuchten wir ein versprengtes Patenkind mit einer Sehbehinderung.
Wir konnten uns vorher nicht anmelden und hofften darauf, wenigstens die Mutter anzutreffen. Hier konnte ich meinen ersten „Compound“ besichtigen. Ein abgeschlossenes Gelände, das von einer Sippe bewohnt wird. Wir hatten Glück. Das Mädchen war auch da und freute sich riesig. Zusätzlich hatte ich noch einen 50 Kilo Sack Reis spendiert. Die Mutter ist Kleinhändlerin auf dem Markt.

Bis zur Abreise beschäftigten wir uns mit unseren Lieblingsaktivitäten: zählen, kalkulieren, verhandeln, organisieren, optimieren, Kassensturz. Es blieb aber auch noch Zeit für ein paar Stunden am Pool.

Dann war es Zeit, Abschied zu nehmen. Irgendwie fühlte es sich nicht so an, als hätten wir etwas abgeschlossen, schließlich stand uns noch eine anstrengende Nacht bevor mit Umsteigen um 3.00 Uhr morgens in Barcelona.

 

Samstag, 16.03.2024

Der Weiterflug nach Stuttgart war dann ein Klacks.

Und hier noch die Ergänzung zu meinem Eingangssatz:

„Gambia ist nichts für Feiglinge - und deshalb komme ich wieder!“

 

Ihre Irmgard Kolbe